Interview mit Prof. Dr. Christoph Beck
Formulierungen von Anforderungen in Stellenanzeigen überhaupt noch sinnvoll?
Anfang Mai sprachen wir mit Prof. Dr. Christoph Beck (Hochschule Koblenz), der erneut die Studie Azubi-Recruiting Trends wissenschaftlich begleitet hat.
1) Welche Ergebnisse der diesjährigen Studie haben Sie besonders überrascht?
Wenn bei 46,4 %, d.h. fast der Hälfte aller Ausbildungsinteressierten 1 bis 5 Bewerbungen ausreichen, um einen Ausbildungsplatz zu erhalten, dann hat mich dies wirklich überrascht. Es bestätigt auf der einen Seite meine seit Jahren aufgestellte Hypothese, dass uns der wirkliche Fachkräftemangel zunächst auf dem Ausbildungsmarkt trifft.
Auf der anderen Seite erklärt dies vielleicht auch die zweite Überraschung bei der Azubi-Recruiting Trends 2017, nämlich dass 61,4 % der Ausbildungsverantwortlichen der Aussage zustimmen, „nicht alle“ in der Stellenanzeige formulierten Anforderungen an die Kandidaten müssten erfüllt sein, damit sie eine Bewerbung berücksichtigen. 26,5 % möchten die Anforderungen nur „größtenteils“ erfüllt sehen.
Bei einem solchen Ergebnis stellt sich tatsächlich die Frage, ob die Formulierung von Anforderungen in Stellenanzeigen überhaupt noch einen Sinn ergeben.
2) Haben Sie spontan einen Tipp für Ausbilder?
Anknüpfend an den vorangegangenen Punkt wäre der Tipp, ein differenziertes Anforderungsprofil an die Ausbildungsinteressierten wesentlich deutlicher zu kommunizieren. Ein Hinweis, ob die ein oder andere Voraussetzung und/oder Kompetenz als „Muss-Kriterium“, als „Kann-Kriterium“ oder eher als wünschenswert angesehen wird, wäre auch aus Sicht der Zielgruppe schon sehr hilfreich.
Mein zweiter Tipp: was sowohl die Studie aus dem vergangenen Jahr als auch die aus diesem Jahr mehr als deutlich zeigt ist, dass ein erfolgreiches Ausbildungsmarketing ohne die Einbeziehung der Eltern immer weniger funktioniert. Wir scheinen vor der Situation zu stehen, dass Ausbildungsmarketing zukünftig „Elternmarketing“ heißen müsste. Die Botschaft ist ein Stück weit genereller und heißt: Ausbildungsmarketing wird künftig zum „Influencer-Marketing“.
Als dritter Tipp erscheint mir die Erwähnung des Aspektes Online-Offline-Touchpoints noch wichtig. Auch in der diesjährigen Studie zeigen sich teils sehr große Einschätzungsunterschiede zwischen den Ausbildungsverantwortlichen und der Zielgruppe. Online-Touchpoints haben die Funktion Ausbildungsinteressierte „einzusammeln“, d. h. sie zu informieren, zu orientieren und zu begeistern.
Offline-Touchpoints wie Schülerpraktika, Probearbeiten etc. haben die Funktion zu überzeugen. Ausbildungsmarketing avanciert somit zunehmend zur Kunst, die es schaffen muss, Online- und Offline-Touchpoints zu einem Ganzen zu komponieren.
3) Was sind die Kernthemen Ihres Recruiting Convents 2017 im Mai?
Der Recruiting Convent 2017, der am 22. und 23. Mai in Bensberg stattfindet, setzt auf Themen wie das Personalmarketing von HR-Generalisten, erfolgreiche und weniger erfolgreiche Recruiting-Instrumente, Virtual Reality und 360-Grad Videos, Mobile-Bewerbung 4.0, die Zukunft des Active Sourcings, Digital HR: Talent Pool Ansatz oder auch Empfehlungsmarketing/-manager und Data Science im Personalmarketing & Recruiting.
Sicherlich inspirierende und zukunftsweisende Programmpunkte mit der Möglichkeit eines exzellenten Networkings.