Gutes Benehmen von Azubis – eine Frage der Einstellung?
Eines der Ergebnisse der Azubi-Recruiting Trends 2020, das mich zum Schmunzeln gebracht hat, ist die deutliche Abweichung der Einschätzung sozialer Kompetenzen von Azubis und Ausbildern. Während sich 76 Prozent der Azubis ein gutes Benehmen zuschreiben, tun dies nur 17,1 Prozent der Ausbilder.
Über diese interessante Erkenntnis habe ich im nachfolgenden Interview mit Andrea Müllejans gesprochen, die als professioneller Coach für Selbstverwirklichung spezielle Start-Kurse für Azubis anbietet:Andrea, wir kennen uns von meiner Ausbildung als systemischer Coach, in der Du unsere Gruppe begleitet und in der Ausbildung unterstützt hast. Sozusagen als die Ausbilderin von uns Coaches. Als ein „Hoppla, hier bin ich“ Mensch hab ich Dich immer für Deine ruhige und extrem wohlwollende Art bewundert. Ich glaube, die sehr unterschiedliche Einschätzung von Azubis und Ausbildern hat auch etwas damit zu tun, dass die junge Generation eine andere Vorstellung hat, was gutes Benehmen ist. Wie erlebst Du denn die junge Generation in Deinen Workshops? Gehen die sinnbildlich über Tisch und Bänke?
Nein, ich erlebe sehr aufmerksame und offene Teilnehmer, die vielleicht zu Beginn des Seminares verschlossen wirken oder sich besonders in Szene setzen – dies ist meiner Meinung nach jedoch eher Unsicherheit. Jeder Teilnehmer kommt mit seiner individuellen Persönlichkeit in diesen Gruppenkontext – ich nehme sie so an, wie sie sind, ohne sie direkt zu bewerten, denn Wachstum erfordert einen nährstoffreichen Boden – das ist bei Pflanzen nicht anders als bei Auszubildenden. Wenn die Teilnehmer merken, dass sie sich in einem geschützten Rahmen befinden, ihnen Wohlwollen entgegengebracht wird und „Fehler“ zum Lernen dazu gehören, wächst schnell Vertrauen und sie nutzen die Chance, sich zu erproben und wertvolle Erfahrungen mitzunehmen.
Solange die Angst im Raume steht, etwas „falsch“ zu machen, mit Argusaugen beobachtet oder negativ beurteilt zu werden, behindert das die Entfaltung und Entwicklung der Teilnehmer.
Wie ist Deine Erfahrung? Muss man gutes Benehmen lernen wie Herr Knigge es mal gelernt hat und wie wir sonst Vokabeln lernen?
Gutes Benehmen liegt im Auge des Betrachters und klare Regeln gibt es heute kaum noch. Die Auffassung von „gutem Benehmen“ hat sich über die letzten vier Generationen hinweg stark verändert. Das ist meiner Meinung nach die große Herausforderung für junge Menschen, die ins Berufsleben starten – sie haben eine individuelle Auffassung von gutem Benehmen und treffen auf viele unterschiedliche Menschen mit ihrer eigenen Erwartung in Bezug auf Benimm.
Für mich ist alles im Leben eine Frage der richtigen Haltung. Wenn es eine klare Kommunikation über die Erwartungshaltung an die Auszubildenden im Unternehmen gibt, erleichtert das das gegenseitige Verstehen enorm. Und weil Menschen besonders gut vom Abschauen lernen, erhöhen Ausbilder, die mit gutem Beispiel vorangehen und transparent und klar kommunizieren, die Akzeptanz der Azubis und deren Lerneffekt um ein Vielfaches.
Im Seminar „Fit für den Start“ besprechen wir die klassischen Businessregeln und üben viele konkrete Situationen, die dem echten Businessleben entsprechen, damit die Teilnehmer ein Gespür für Situationen und Menschen entwickeln können. Ziel ist es, dass sie sich im Austausch mit Kunden und Kollegen bzw. Vorgesetzten angemessen und sicher bewegen. An der Stelle ist meine jahrelange Erfahrung im Vertriebsaußendienst sehr hilfreich, da ich die Teilnehmer mit „echten Fällen“ konfrontiere und wir dann im Gruppenkontext reflektieren, was gut war, welche alternativen Verhaltensweisen möglich sind, wie das Verhalten des Teilnehmers in der konkreten Situation gewirkt hat.
Es heißt heute oft, der Ausbilder wird zum Coach. Was können Ausbilder aus dem klassischen Coaching lernen?
Beim Coaching fühlen und denken wir uns in die sogenannte „Wirklichkeitskonstruktion“ des Klienten ein und entwickeln Verständnis für ihn und seine Sicht der Dinge – das empfinde ich als große Chance für jede zwischenmenschliche Interaktion. Durch den Perspektivwechsel und die Annahme, dass hinter JEDEM Verhalten IMMER eine positive Absicht steht – auch wenn sich mir diese nicht direkt erschließt – wird in meinem Erleben der Blickwinkel weiter und die eigene Haltung zum Gesprächspartner verändert sich zum Positiven.
Ich glaube, dass Ausbilder im aktiven Austausch mit ihren Auszubildenen ebenfalls sehr profitieren können, wenn sie echtes Interesse an deren Sicht der Dinge und deren intuitiver Lösungskompetenz haben. Junge Menschen bringen neue Perspektiven und einen unvoreingenommenen Blick mit ins Unternehmen. Letztendlich kommen sie aus der Generation unserer Kunden von morgen – dies kann ich als Chance definieren und den „frischen Wind“ sinnvoll nutzen.
Gibt es typische AHA-Effekte die Deine Teilnehmer in den Workshops haben?
Ein großer AHA-Effekt ist die Erkenntnis, dass Kommunikation immer gleichen, klaren Regeln folgt und durch kleine Veränderungen in der eigenen Kommunikation bahnbrechende Erfolge erzielt werden können.
Ein zweiter ist die bewusste Wahrnehmung der eigenen Wirkung auf Andere, wenn die Teilnehmer sich z.B. über Tonaufnahmen selber sprechen hören. Die Wahrnehmung der Wirkung ihrer Stimme, Sprechgeschwindigkeit, Artikulation und der gewählten Worte ist sehr wertvoll und schon in der zweiten Übungsrunde werden deutliche Verbesserungen hörbar, was die Teilnehmer wiederum sehr motiviert.
Jetzt beginnt 2020 ja ein von Corona geprägtes Ausbildungsjahr. Bietest Du auch entsprechende digitale Angebote an?
Meine Kunden haben die Wahl, Trainings und Coachings in Präsenz oder als Online-Angebot zu buchen. Präsenztermine können im Institut in Aachen oder am jeweiligen Wunschort des Kunden stattfinden.
Wo erfahren unsere Leser mehr zu Dir und Deinem Angebot?
Im Internet gibt es die Webseite meines Instituts „Institut für innere Balance & Entwicklung“ und eine direkte Buchungsplattform, wo sich Interessenten zu mir und meinem Angebot informieren können:
Wenn Deine Leser den persönlichen Austausch wünschen, dann freue ich mich über eine Kontaktaufnahme per E-Mail an info@ibe-nrw.de und wir vereinbaren ein unverbindliches und kostenfreies Informationsgespräch.