Azubis go digital: Projektarbeit in Pandemie-Zeiten
Sabine Wolf ist Ausbilderin in der Bruno-Lösche-Bibliothek Berlin und berichtet von der ersten komplett digitalen Projektarbeit ihrer Azubis und deren Erfahrungen bei der Umsetzung.
Wo werde ich im neuen Unternehmen zuerst eingesetzt? Und wo später? Was muss ich für den ersten Tag wissen? Das sind typische Fragen, die eine Bewerberin oder ein Bewerber vor der Ausbildung hat. Das ging den angehenden Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in der Berliner Bruno-Lösche-Bibliothek zum Start nicht anders. Nun sind sie im zweiten Lehrjahr, vor kurzem stand die erste gemeinsame Projektarbeit an und das Thema lag auf der Hand: Entwickeln und programmieren wir doch einen Chatbot, der vor Ausbildungsbeginn möglichst viele wichtige Fragen automatisiert beantwortet.
Gemeinsam Ideen finden, diskutieren, entwickeln – wie geht das in Pandemiezeiten? Natürlich digital. Und mit ihrer Ausbilderin Sabine Wolf haben die Azubis eine Expertin an ihrer Seite, die sich seit Jahren mit digitalem und agilem Arbeiten in Teams befasst. Sie bereitete das mehrtägige Projekt vor. Mit einer klaren Vorgabe: „Es ist wichtig, dass die Azubis selbstständig arbeiten und immer wieder ihre Ergebnisse reflektieren. Diese Offenheit muss früh trainiert werden.“
Als Plattform nutzte sie eduScrum, eine Bildungsvariante der beliebten Scrum-Technik. Eine Vision fokussiert verfolgen, dafür agil und flexibel denken, offen sein für Vorschläge, Veränderungen begegnen, statt abzuwarten sowie Fehler als Lernchance verstehen – darum geht es. „Etwas zu erlernen, kann genauso viel Freude machen, wie es letztlich zu können“, unterstreicht Sabine Wolf. Sie sieht seit Jahren im Entdecken von neuen, digitalen Lernplattformen und -methoden einen großen Reiz. Ihre Azubis haben sich mit eduScrum zunächst einen virtuellen Arbeitsraum eingerichtet, mit Bild und Ton experimentiert, dann mit der Entwicklung begonnen. Sabine Wolf fungierte als Coach. Denn Arbeitsschritte und Lernziel haben die Auszubildenden nach dem eduScrum-Prinzip selbst bestimmt und die Ideen auf einem virtuellen Konzeptboard ausgetauscht.
Ihr Ziel musste die Gruppe schnell anpassen: 40 bis 50 Leitfragen hätte sie ihrem Chatbot gerne eingepflanzt, aber die dadurch entstehenden Kombinationsmöglichkeiten, die ja von den jeweiligen Antworten abhängen, wuchsen exponentiell an. Das so zu programmieren, dass eine Gesprächsform entstehen kann zwischen Bot und Bewerbern, erschien in der vorgegebenen Zeit nahezu unmöglich. „Damit mussten die Azubis erst einmal umgehen: Dass das nicht so klappte wie gedacht. Sie hatten den Ehrgeiz, direkt etwas Perfektes auf die Beine zu stellen. Um dann einsehen zu müssen, dass 15 bis 20 Fragen für einen Chatbot für den Start ausreichen“, erklärt Sabine Wolf. Ein solcher Lerneffekt ist aus ihrer Sicht sehr wertvoll: So agil zu sein, dass man Methoden und Ziele flexibel anpassen kann, mit Rückschlägen und Grenzen des Machbaren klarzukommen und seine Strategie neu auszurichten. Darum ging es auch in der anschließenden Feedbackrunde mit den Azubis: Weg vom reinen Ergebnisdenken und den eigentlichen gemeinschaftlichen Arbeitsprozess als wertvoll erachten. Denn das war er.
Sabine Wolf, die nebenberuflich auch als Kommunikations- und Verhaltenstrainerin arbeitet, freut sich in der Berliner Stadtbibliothek schon auf das nächste digitale Projekt für ihre Azubis. Die wissen, was sie an Sabine Wolf haben: „Ich sage ihnen immer: Sie haben Pech, dass Sie mich als Ausbilderin haben, weil ich nicht viel davon halte, in eine Richtung Wissen zu vermitteln, sondern auf Eigeninitiative setze. Da wird es natürlich anstrengend. Aber immer auch befruchtend und produktiv.“