Ausbildung in Thüringen. Macht eure Kinder stark.
Verena Brumme ist Sachgebietsleiterin Fachkräfteentwicklung bei der IHK Ostthüringen zu Gera und begleitet die Eltern-Kampagne „Ausbildung in Thüringen. Macht eure Kinder stark.“. Die Kampagne ist eine gemeinsame Initiative der Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Industrie- und Handelskammern und soll Eltern von potenziellen Auszubildenden die Vorteile der dualen Berufsausbildung aufzeigen.
Im nachfolgenden Interview habe ich mit Frau Brumme über die Besonderheiten dieses spannenden Projekts gesprochen:
Liebe Frau Brumme, die Ergebnisse unserer Studie Azubi-Recruiting Trends haben den großen Einfluss der Eltern sichtbar gemacht, denn für 77 Prozent der befragten Jugendlichen spielen die Ratschläge der Eltern bei der Berufswahl eine wichtige Rolle. Wie entstand bei Ihnen die Idee, nicht klassischerweise die Jugendlichen, sondern deren Eltern anzusprechen?
Die IHKs in Thüringen sind seit vielen Jahren sehr aktiv im Bereich der beruflichen Orientierung. Wir kommen mit Schülern und Eltern auf Messen, bei Projekttagen in Unternehmen oder Arbeitsgemeinschaften in Kontakt. Hier erfährt man natürlich auch die Sorgen und Nöte der Eltern zur beruflichen Zukunft ihrer Kinder. Eine große Auswahl zu haben, bedeutet nämlich nicht, dass es einfacher wird, sich zu entscheiden. Auch die Eltern sind mit der Fülle an Angeboten oft überfordert – nicht nur die Kinder.
Gleichermaßen beobachten wir und Netzwerkpartner, wie z. B. die Agentur für Arbeit oder der Arbeitskreis SCHULEWIRTSCHAFT immer öfter, dass sich Schüler und Eltern „zurücklehnen“, da statistisch jeder einen Ausbildungs- bzw. Studienplatz erhalten kann. Das bestätigen die Erfahrungen unserer Mitgliedsunternehmen aus den Bewerbungsprozessen: Jugendliche seien nicht motiviert genug und wüssten häufig nichts mit dem Berufsbild anzufangen, für welches sie sich bewerben.
Diese Tendenzen und Ergebnisse aus Studien wie der Ihren haben uns dazu motiviert, die Eltern in den Fokus zu nehmen. Sie sind Vorbild, erster Ansprechpartner und Antreiber für die Kinder. Wir wollen Eltern über die Vorteile einer beruflichen Ausbildung verbunden mit den Zukunftschancen in Thüringen aufklären, ihnen die Möglichkeit geben, mit uns in Kontakt zu kommen, und zeigen, wie sich ihre Kinder ausprobieren können, um die richtige Entscheidung für Beruf und Karriere zu treffen.
Welche Themen sprechen Sie mit der Kampagne an und wieso?
Bei ihrer Entscheidung sind Eltern geneigt, ihre eigene Erfahrung mit Berufsausbildung oder Studium anzusetzen. Oft kennen sie nur ihr Unternehmen und ihren Beruf. Es fehlt häufig der Überblick, welche Perspektiven und Möglichkeiten Thüringen noch bietet.
Wir haben aus diesem Grund fünf wesentliche Vorteile einer Ausbildung in Thüringen in den Fokus genommen: Praxis, Gehalt, Karriere, Heimat und Sicherheit und erklären den Eltern jeweils, was das im Detail für ihr Kind bedeutet.
Außerdem informieren wir sie auf der Internetseite: www.macht-eure-kinder-stark.de über konkrete Angebote und Veranstaltungshinweise zum Thema Berufsorientierung, stellen Berufe vor und geben aktuelle Infos sowie praktische Tipps, z. B. zum Bewerbungsanschreiben und Vorstellungsgespräch.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Eltern-Kampagne gesammelt? Wie sind die Rückmeldungen der Eltern? Gibt es ein positives Beispiel, wie die Kampagne z. B. bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz helfen konnte?
Uns erreichen Anfragen von Eltern, die auf unserer Internetseite waren oder bei Facebook einen Eintrag kommentieren. Das freut uns und zeigt, dass wir mit unseren Botschaften einen Nerv treffen – vor allem bei den Müttern. Zudem eröffnen uns die zahlreichen neuen Kontakte die Möglichkeit, mit Vorurteilen und Halbwissen aufzuräumen. Natürlich können wir auch konkrete Angebote vorweisen, welches Unternehmen noch Auszubildende sucht oder Schülerpraktika bietet.
Unsere Kampagne verstehen wir dennoch nur als ersten Schritt. Wir wollen Aufmerksamkeit erzeugen, sensibilisieren und dann im direkten Kontakt helfen – z. B. auf Veranstaltungen. Hier erleben wir immer wieder, dass Eltern froh sind, wenn sie einen Ansprechpartner finden. Erst Mitte September letzten Jahres nahm ich an einem Elternabend der vierten Klassen teil, bei dem die Lehrer, übrigens vorbildlich und umfänglich, die verschiedenen schulischen Bildungswege erläutert haben. Als wir über das Thema berufliche Orientierung sprachen, schaute ich zunächst in verwunderte Gesichter. Was soll das in Klasse 4? Wir sprachen dann über die Herausforderungen, denen sich Schüler der oberen Klassenstufen stellen müssen. Sie wissen häufig nicht, was für Fähigkeiten und Begabungen sie haben oder haben noch nie ein Unternehmen von innen gesehen. Oft wissen sie nicht einmal die Frage zu beantworten: Was macht dir Freude? Die Auseinandersetzung damit innerhalb der frühen schulischen Phase anzuschieben, mit den Kindern über ihre Stärken zu sprechen, war mein Rat an die Eltern. Denn es ist der erste Schritt, um sich einordnen zu können, um Selbstbewusstsein aufzubauen und Entscheidungen zu treffen. Nach dieser Veranstaltung kamen noch einige Eltern auf mich zu, mit dem Wunsch, die Gespräche zu vertiefen. Das war schon ein großer Erfolg!
Welche Tipps können Sie Ausbilderinnen und Ausbildern für die Suche nach passenden Auszubildenden geben?
Der erste Tipp, den ich immer gebe, ist sich zu fragen: Was macht mein Unternehmen aus? Warum hätte ein junger Mensch Lust, die Ausbildung bei mir zu absolvieren? Was biete ich ihm? Verstehen Sie mich nicht falsch! Es gibt ganz wundervolle Dinge und Angebote der Thüringer Unternehmen. Sie sind sich dessen oft nicht bewusst und kommunizieren sie zu wenig. Außerdem finde ich es wichtig, dass Unternehmen schauen, wo und wie sie die Schüler erreichen. Die wenigsten lesen Zeitung.
Probiert neue Wege, nutzt die Medien und Kanäle der Schüler, kommt mit Schulen in Kontakt und baut Partnerschaften auf, bietet Praktika und Ferienarbeit an, nehmt an Events teil, macht Messen zum Event, nutzt Mitarbeiter als Botschafter! Das ist mein Tipp.
Und natürlich kann ich hier die Eltern nicht vergessen. Eltern haben einen Herzenswunsch:
Der Start in die Zukunft des Kindes sollte voller Perspektiven und sicher sein. Sich ausprobieren, in der Erwachsenenwelt ankommen und die richtige Entscheidung für Beruf und Karriere treffen – all das sind nicht nur die Wünsche des Kindes, sondern auch der Eltern. Deshalb holt die Eltern in die Unternehmen und überzeugt auch sie!
Vielen Dank für das Interview und die Vorstellung dieser tollen Idee für das Ausbildungsmarketing, Frau Brumme.