Interview mit Stefan Dietl, Leiter Ausbildung national/international bei Festo Didactic
Wie es funktionieren kann die duale Ausbildung zu internationalisieren, erfährt Felicia Ullrich, Geschäftsführerin der u-form Testsysteme, im Interview mit dem Festo-Ausbildungsleiter Stefan Dietl.
Felicia Ullrich: Lieber Stefan, Du beeindruckst mich immer wieder mit Deinen vielen Ideen, die die Ausbildung bei Festo noch besser und attraktiver machen. Dieses Engagement wird jetzt zu Recht mit dem diesjährigen deutschen Personalwirtschaftspreis in der Kategorie „Ausbildung“ ausgezeichnet. Dein Projekt soll die duale Ausbildung internationalisieren. Würdest Du das Projekt einmal kurz für unsere Leser umreißen?
Stefan Dietl: Festo wächst – das ist die gute Nachricht. Dies bringt aber auch Herausforderungen mit sich: Es ist nicht immer einfach, weltweit qualifizierte Mitarbeiter zu finden – gerade, da die lokalen Ausbildungsangebote oft andere Standards haben. In unseren Werken in den USA, in China, Indien und Ungarn haben wir nun schon die Weichen für eine qualitativ hochwertige Ausbildung gestellt und gemeinsam mit Kooperationspartnern, wie beispielsweise Berufsschulen vor Ort, tragfähige duale Konzepte entwickelt.
2010 haben wir in China begonnen, eine duale Ausbildung aufzubauen. Seither haben wir rund 25 Auszubildende pro Jahr eingestellt. Mittlerweile ist die Zahl deutlich gestiegen und wir starten demnächst mit dem Bau eines eigenen Ausbildungszentrums. In den USA ging es 2016 los – hier haben wir in diesem Jahr sogar schon die ersten Absolventen gefeiert. In Indien haben vor einigen Wochen die ersten zwölf Auszubildenden begonnen und in Ungarn startet im September 2019 der erste Ausbildungsjahrgang nach dualem Modell.
Der Erfolg dieser Maßnahmen zeigt mir, dass wir mit unserem Engagement in Sachen Ausbildung das Unternehmen global unterstützen können.
Felicia Ullrich: Sicher gab es die eine oder andere Herausforderung bei Deinem Projekt zu meistern. Gibt es ein Erlebnis, das Dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Stefan Dietl: Da gab es sehr viele – die internationalen Aufgaben weichen teilweise stark von meinen Aufgaben in Deutschland ab. Auch innerhalb der einzelnen Länder sind die Bedingungen und Herausforderungen teilweise völlig verschieden – immerhin haben wir es hier mit völlig verschiedenen Kulturen zu tun.
Was beispielsweise das Lehren und Lernen angeht, glaube ich, dass in China das Repetieren im Vordergrund steht. Der Fokus liegt stark darauf, Gelerntes wiedergeben zu können. Die Herausforderung besteht also darin, einen Transfer zu forcieren, sodass die Auszubildenden auch bislang unbekannte Inhalte und Themen schnell lösen können. Unsere Aufgabe besteht hier also auch darin, Lernziele entsprechend zu definieren.
Die Vorbereitungen für den Ausbildungsstart in Indien waren eine sehr bewegende und bereichernde Zeit für mich. Ich habe gesehen, dass wir dort mit unserer fundierten Ausbildung riesige Chancen im Leben junger Menschen ermöglichen können, da die Perspektiven auf dem lokalen Ausbildungsmarkt nicht so gut sind. Für mich ist es immer wieder überwältigend, welche Dankbarkeit uns dort entgegengebracht wird.
In Ungarn erlebe ich eine sehr große Offenheit. Da ich selbst auch ein bisschen Ungarisch spreche, freue ich mich immer, wenn ich zumindest einen Teil der Konversation auf Ungarisch führen kann – das verbindet.
Felicia Ullrich: Die deutsche Ausbildung wird international sehr gelobt. Gibt es denn umgekehrt etwas, das wir vom Ausland lernen können? Etwas, das Dich besonders beeindruckt hat?
Stefan Dietl: Absolut! Es ist für mich unglaublich, wie schnell wir die duale Ausbildung vor Ort realisieren konnten. Wir haben überall verhältnismäßig schnell Berufsschulen gefunden, Inhalte abgestimmt und den ersten Berufsschultag gefeiert – in China innerhalb von neun Monaten, in Indien innerhalb von acht Monaten und in den USA innerhalb von sechs Monaten. Die Umsetzungsfreude und der Kooperationswille in den Ländern ist beeindruckend. Was mich auch freut, ist die Begeisterung, mit der die lokalen Partner Themen wie Digitalisierung aufgreifen – Stichwort „Tablets für Auszubildende“.
Insofern: Unser Ausbildungssystem ist wirklich eine tolle Sache – aber auch andere Länder sind engagiert am Werk und wollen ihr Ausbildungssystem weiterentwickeln – mit viel Elan und Tatendrang.