Karriereseiten mit WOW!-Effekt – Interview mit Henner Knabenreich
Hallo Henner, du hast gerade ein wunderbares Buch mit dem spannenden Titel „Karriere-Websites mit Wow!-Effekt“ veröffentlicht. Man könnte eigentlich meinen, eine gut gemachte Karriereseite wäre im Jahr 2020 pure Selbstverständlichkeit – ist es aber gar nicht, oder?
Hallo Felicia! Nein, das ist es leider tatsächlich nicht. Ich habe bspw. im Rahmen meiner Recherche nach Unternehmen gesucht, bei denen aktuell eine Videobewerbung möglich ist. Hierzu habe ich u. a. Kontakt zu einem Dienstleister aufgenommen, der solche Videobewerbungen realisiert und bin so an einige Links von Referenzkunden gekommen.
Die Liste enthielt Unternehmen, die nicht einmal über eine eigene Karriereseite verfügten. Diese Unternehmen waren also maximal dann als Ausbildungsbetrieb sichtbar, wenn gerade eine Ausbildungsstelle in einer Jobbörse ausgeschrieben wurde. Und das ist wirklich kritisch, denn fast 30% von über 1.600 Bewerbern haben in aktuellen Befragungen angegeben, dass sie sich wahrscheinlich überhaupt nicht bewerben würden, wenn ein Unternehmen gar keine Karriereseite hat. Sie vermuten in diesen Fällen bspw. kein ernsthaftes Interesse am Mitarbeiter oder schätzen das Unternehmen generell als unseriös, unprofessionell und wenig transparent ein.
Darüber hinaus haben viele Unternehmen, die zwar eine Karriereseite ihr Eigen nennen, immer noch nicht erkannt, dass sie darauf auch aktiv für sich als Arbeitgeber werben müssen. Sie ergießen sich dort aber meistens nur in Selbstbeweihräucherung und nehmen in der Regel eine klassische Unternehmerperspektive ein – anstatt die eines potenziellen Bewerbers. In der Folge werden potenzielle Azubi-Bewerber eher zum Davonlaufen, als zum Bewerben animiert… Und das ist fatal, denn wurden geeignete Kandidaten erst einmal verschreckt, kommen sie nach einem solchen Erlebnis meist nie wieder zurück. Warum sollten sie auch?
Vielleicht in einem Satz klar auf den Punkt gebracht: Warum ist eine gute Karriereseite für das Azubi-Recruiting so wichtig?
Die Karriere-Website ist der Dreh- und Angelpunkt im Azubi-Recruiting. Hier laufen alle Fäden zusammen, egal ob der Interessent via Empfehlung, Social Media oder sonst woher kommt. Er sucht nach Informationen über den potenziellen Ausbildungsbetrieb und den Ausbildungsberuf. Ist das der Richtige für mich oder nicht? Berufsorientierung ist Aufgabe des Arbeitgebers. Hier kann er als Ausbildungsbetrieb der Herzen punkten – oder eben auch alles versemmeln.
Gibt es klassische Fehler, die ganz viele Unternehmen bei der Gestaltung und Strukturierung ihrer Karriereseite machen?
Ja, die gibt es definitiv. Der größte Fehler, den Unternehmen in diesem Zusammenhang machen, ist natürlich, dass oft überhaupt keine Karriereseite angeboten wird.
Der zweitgrößte Fehler, den ich beobachten konnte, besteht darin, dass die Links zu vorhandenen Karriereseiten häufig zu sehr vor den Blicken potenzieller Bewerber versteckt werden, etwa ganz unten auf der Website – im so genannten Footer – oder auch relativ unsichtbar hinter Hauptmenüpunkten wie z. B. „Service“, wie ich es gerade gestern erst wieder gesehen habe. Wird eine Karriereseite auf diese Weise auf der Website eingebunden, hat ein Unternehmen leider alles dafür getan, um nicht als potenzieller Ausbildungsbetrieb wahrgenommen zu werden.
Ein weiterer gravierender Fehler ist es, wenn Ausbildungsbetriebe auf ihrer Karrierewebsite nicht ausreichend auf die Vorteile des eigenen Ausbildungsprogramms eingehen, hier zu wenig Informationen zum Inhalt und Ablauf der Ausbildung anbieten und keine klaren Angaben zum Verdienst oder weiteren Unterstützungsmaßnahmen machen, auf die sich potenzielle Azubis einstellen können.
Noch mal: Berufsorientierung ist grundsätzlich Aufgabe der Ausbildungsbetriebe. Schaut man sich diverse Studien zum Thema an, so wird seitens der Unternehmen vielfach die falsche Erwartungshaltung von Azubis moniert. Unternehmen haben es allerdings selbst in der Hand, sämtliche zielgruppenrelevanten Informationen in einer bestimmten Art und Weise aufzubereiten, damit sich später nur noch Kandidaten bewerben, die auch wirklich zum Unternehmen passen. Vorausgesetzt natürlich, ich bin als Betrieb ehrlich!
Darüber hinaus kann in der Praxis aber auch der Bewerbungsprozess an sich regelmäßig als erhebliche Fehlerquelle identifiziert werden. Denn hier werden potenzielle Bewerber sehr oft auf der letzten Meile in die Flucht geschlagen. Etwa mit umständlichen Anmeldeprozessen, seitenlangen Formularen oder aber, weil eine Bewerbung via Smartphone nicht möglich ist.
Hast du vielleicht noch ein paar konkrete Tipps für unsere Leser (abgesehen davon, unbedingt dein Buch zu lesen oder dich direkt zu engagieren), wie Unternehmen ein besseres Gefühl dafür bekommen können, wo ihre Karriereseite noch Optimierungsbedarf hat?
Das ist eigentlich relativ einfach: Die Verantwortlichen sollten einfach mal in die Rolle eines potenziellen Bewerbers schlüpfen und den gesamten Recruiting-Prozess aus dessen Perspektive durchspielen. Vom Auffinden der Seite, über das Auffinden relevanter Informationen und die Bewertung der Güte von Inhalten bis hin zum abschließenden Versenden einer Bewerbung – jeder Schritt sollte hier mindestens einmal auf dem Prüfstand stehen. Oder, besser noch: Einfach die Zielgruppe direkt ansprechen und um Feedback zur eigenen Karriereseite bitten.
Du hast zusammen mit softgarden eine Studie zum Thema Karriereseiten durchgeführt. Haben sich daraus weitere spannende Erkenntnisse ergeben, die du unseren Lesern gerne mitteilen möchtest?
Auf jeden Fall! Die wichtigste Erkenntnis aus meiner Untersuchung mit softgarden hatte ich ja bereits beschrieben – noch mal konkret auf den Punkt gebracht: Keine Karriereseite, keine Bewerber! Ebenfalls spannend: Der primäre Grund, eine Karrierewebsite aufzusuchen, ist die Jobsuche! Sie wird sogar als der wichtigste Inhalt empfunden. Erst danach kommen Infos über den Arbeitgeber. Und, ebenso essenziell: Bewerber wollen einen echten Ansprechpartner, mit allen erdenklichen Kontaktdaten. Die Kommunikation mit einem Chatbot ist hingegen total verpönt.
Viele Dank für das wie immer sehr inspirierende Gespräch. Ich kann an dieser Stelle nur noch mal jedem wärmstens empfehlen, dein Buch zu lesen. Es macht nicht nur Spaß, sondern birgt auch viele lehrreiche Aha-Momente, die einen wirklich beim Aufbau einer optimalen Karriereseite unterstützen.